Ergebnisoffenheit - Zwei Ratsuchende, die homosexuell leben, berichten swap_horiz

Ergebnisoffenheit

Die erste Stellungnahme, dass wir ergebnisoffen beraten, liegt vor dem Jahr 2005. Seit dem haben wir in unterschiedlichen Erklärungen und Stellungnahmen wiederholt, dass wir ergebnisoffen beraten und dass wir keine Konversionsbehandlung anbieten. Die Ergebnisoffenheit in der Beratung erklären wir auch jedem Ratsuchenden, der zu uns kommt. Denn wir wissen natürlich, dass gerade Ratsuchende aus dem christlichen Raum, Verhaltensweisen, vor allem wenn sie mit Sexualität zu tun haben, gerne abschütteln würden. Gerade für diese Menschen ist Ergebnisoffenheit innerhalb der Beratung häufig ein eigenes Thema. Denn mit dem Thema stellt sich die Forderung, die selbstempfundene Sexualität in das eigene Leben zu integrieren. Für manche Menschen ist damit eine große Herausforderung verbunden.

Nun wird uns aber vorgeworfen, dass sich hinter dem Begriff "konflikthaft empfundene Sexualität" letztendlich eine homophobe Haltung verstecken würde. Und die Medien, die LGBT Gruppen nahestehen, hören nicht auf zu behaupten, dass hinter dem Begriff die missionarische Absicht versteckt sei, homosexuelle Menschen "umzupolen".

Wie soll man einem solchen Vorwurf entgegentreten, wenn selbst über Jahre abgegebene Erklärungen nichts nützen? Und wenn Menschen, die homosexuell empfunden haben und heute noch empfinden, auf dieser Homepage, in Leserbriefen und über andere Medien berichten, dass in unserer Beratung die Sexualität gar nicht Gegenstand ist, sonder reale Konfliktlagen, die den Alltag und das Leben erschweren? Wie soll man gegen die Behauptung, nicht ergebnisoffen zu begleiten, vorgehen, wenn selbst Zeugnisse von Menschen, die Ergebnisoffenheit bei uns erlebt haben, als Lüge bezeichnet werden? Was soll man noch mehr tun, um Ergebnisoffenheit nachzuweisen, als Ratsuchende auf verschiedene Lebensformen von Sexualität in unserer Gesellschaft hinzuweisen und eine Beratung davon abhängig zu machen, dass sie sich mit diesen Lebensmodellen befasst haben? Was soll man noch tun, als wie hier auf dieser Homepage geschehen, unseren Weg transparent zu machen, Entwicklungen aufzuzeigen, Veränderungen in unserer Betrachtungsweise von Sexualität zu publizieren?

Mit der schwachen Hoffnung, bei denen etwas zu bewegen, die uns wohl als Feindbild brauchen, veröffentlichen wir mit diesem Artikel heute den Bericht bzw. die Stellungnahme von zwei Männern, die beide homosexuell Leben, der eine in einer Partnerschaft, der andere eine Partnerschaft suchend. - Wir haben sie gebeten, ihre Erfahrung, die sie mit unserer Beratung gemacht haben, zu dokumentiert. Ein Mann unterzeichnet seinen Artikel mit seinem Namen, der andere ist der Redaktion bekannt, ist aber gern zu weiteren Auskünften bereit. - Hier ihre Berichte, die von uns nicht bearbeitet wurden.

Ich will meine Fragen stellen dürfen und herauszufinden, was MEINE Dynamiken sind und was MIR gut tut!

Ich, Valentin Hilbertshofer, bin ein 28-jähriger Mann, der aktuell in einer homosexuellen Beziehung lebt. Seit meinem 16. Lebensjahr bin ich immer wieder in ratsuchendem Austausch mit dem Institut für dialogische und identitätsstiftende Seelsorge und Beratung. Damals noch sehr unerfahren, blicke ich nun auf eine jahrelange Auseinandersetzung mit den Themen Identität und Beziehung zurück und habe mittlerweile Medizin und Psychologie studiert. Nachdem mir die Berichterstattung über das Institut sehr einseitig erscheint, möchte ich selbst zu dessen Arbeit Stellung nehmen.

Obwohl ich wegen der Zweifel über meine homosexuellen Gefühle zum Seelsorgeinstitut kam, wurde ich nicht mit Gebeten und Weihwasser von etwas zu läutern versucht, was Gott als falsch ansehen könnte und ich wurde auch nicht zur Elektroschocktherapie auf eine Bahre geschnallt. Tatsächlich wurde mir gegenüber nie von Gott gesprochen oder davon, dass homosexuelle Gefühle falsch seien. Was ich hingegen fand, war ein offenes Ohr für meine Fragen und jemand, der sich aufrichtig für meine Welt interessierte. Eine Welt, in der ich mich vorher mit meinen Themen schmerzlich alleine gefühlt hatte – und ja: Das Institut beriet mich in jeder Phase und in all den Jahren immer ergebnisoffen. Der Berater ging einfach meinen Weg mit.

Ich fühlte mich eingeladen, mich auf die Reise hin zu mir selber zu machen und das zu leben, was sich für mich stimmig anfühlt. Damit fand ich im Institut eine Anlaufstelle für meine vielen Fragen über Geschlechtsidentität, die mir sonst kaum jemand beantworten konnte. Immerhin habe ich über die Jahre hinweg Selbsterfahrung in verschiedensten Gruppen- und Einzelsettings gesammelt, doch im Gespräch über mein geschlechtliches Identitätsempfinden hatte ich immer wieder das Gefühl, den Menschen von einer fremden Welt zu erzählen. Nicht, dass meine Gegenüber es böse gemeint hätten oder nicht offen gewesen wären – es war aber selbst im psychotherapeutischen Rahmen so, als würde ich versuchen, Regen mit den Händen einzufangen. Für mich war es nie so klar, was es heißt, gut bei mir zu sein und mich dabei als Mann gut zu spüren. Ich hatte einfach kein klares Bild von meiner Männlichkeit und hatte zum Thema Geschlechtsidentität auch kaum irgendwo Informationen gefunden. Später im Studium las ich, dass Fragen zur Geschlechtsidentität häufig von Menschen so verstanden werden, als würde man einen Fisch zum Wasser um ihn herum befragen. Obwohl wir alle ständig in verschiedene Identitätsformen eingebettet sind, bleibt das Gefühl dafür oft diffus – und wird erst schmerzlich spürbar, wenn etwas damit nicht in Ordnung ist.

Das Institut hat mich ergebnisoffen dabei begleitet, meine Gefühle zu erforschen und meine Geschichte zu verstehen. Die Frage, ob ich nun homo- oder heterosexuell sei, rückte dabei immer mehr in den Hintergrund. Überhaupt kann ich persönlich heute die Einteilung in „homo“, „bi“ oder „hetero“ als statische Zuschreibungen nicht mehr nachvollziehen. Vielmehr fühlt es sich so an, als würden sexuelles Erleben, die dabei verkörperten Rollen und das Maß an „Männlichkeit“ oder „Weiblichkeit“, „Aktivität“ oder „Passivität“ in jeder sexuellen Begegnung zwischen den Beteiligten neu und auch veränderbar ausgehandelt werden. Und damit gibt es für mich so viele Sexualitäten, wie es Menschen gibt. Nachdem ich bei mir selbst sowohl hetero- als auch homosexuelle Gefühle beobachtet und mich selbst dabei auf unterschiedliche Weisen erlebt habe, ist meine Frage heute eher: „Was suche ich bei diesem oder jenem Menschen?“, „welche Saite in mir bringt er oder sie im Kontext meiner persönlichen Geschichte in mir zum Klingen?“.

Ich weiß heute, dass man im Gegenüber mitunter ein Stück weit sich selbst suchen kann. Es mag auch normal sein, sich durch die Beziehung zu einem anderen Menschen in einem bestimmten Maß etwas „kompletter“ zu fühlen. Und doch weiß ich für mich auch, dass es da gesunde Grenzen braucht. In einigen meiner homosexuellen Erfahrungen habe ich Dinge im Außen gesucht, die ich im Innen schmerzlich vermisst habe und hatte dabei gleichzeitig kaum ein Gefühl für mich als Mann. Solche Beziehungen standen auf wackeligen Beinen. Nicht etwa deshalb, weil die Gesellschaft sie nicht gutheißen würde, sondern weil ich mich darin aufgrund innerer Wunden in Abhängigkeiten begeben habe, die leicht kippen und großen Schmerz verursachen können (abgesehen davon ging es mir dabei manchmal weniger um das Gegenüber als Mensch, sondern mehr um die Funktion, die dieser Mensch für mich übernommen hat, was einige kritische Konsequenzen haben kann, aber das würde hier zu weit führen).

Nach meinen Studien ist mir heute bekannt, dass therapeutische Richtungen verschiedene Namen für dieses und andere Beziehungsphänomene haben und dass das auch nichts genuin Homosexuelles ist. Ungesunde Beziehungsformen gibt es sowohl in der Homo- wie auch in der Heterosexualität. Es geht dabei oft nicht einfach um Sex. Oft geht es auch um vermeintlich unsexuelle Themen wie Macht, Kontrolle, Unterwerfung, Abhängigkeit, Vermeidung, Selbstwert und viele Themen mehr, die in der eigenen Biographie wurzeln und sich in vielen Lebensbereichen zeigen können. Und doch fühlt es sich für mich manchmal so an, als dürfte ich mir über all diese Dynamiken meiner Sexualität keine Fragen mehr stellen, weil „eh alles anerkannt“ sei. Selbst wenn manche Formen (ob nun hetero oder homo) nicht nachhaltig zu meinem Glück beitragen. Dabei werde ich gefühlt um das Recht gebracht, meine Sexualität zu reflektieren, weil die Gesellschaft neuerdings (und das hat sich in der Geschichte oft geändert) Homosexualität mal wieder anerkennen will.

Heißt ein Konversionsverbot, dass ich ab jetzt ein glücklicher Homosexueller sein „muss“? Wenn ich in so mancher Beziehung eine ersehnte väterliche Liebe ohne Augenhöhe gesucht habe, muss ich mich darin ab jetzt einfach akzeptieren und dafür dankbar sein, dass die Gesellschaft mich auch so akzeptiert? Gäbe es plötzlich weniger bindungslose FKK-Cruising-Parks, wenn Homosexuelle nur vollkommen anerkannt wären, sodass sie endlich auch beständige Beziehungen pflegen können? Oder steckt mehr hinter solchen Orten?

Wie gesagt lebe ich derzeit selbst in einer homosexuellen Beziehung in der Hoffnung, dass sie lange dauern wird und ich dabei ein selbstverwirklichtes Leben als Mann führen kann. Es geht mir nicht darum, irgendwelche Formen von Sexualität als gut oder schlecht abzustempeln. Es geht mir darum, Fragen stellen zu dürfen und herauszufinden, was MEINE Dynamiken sind und was MIR gut tut. Ich wünsche mir einen offenen Diskurs über dieses vielschichtige Thema für mich und für alle anderen Menschen, die sich auf den Weg hin zu sich selbst gemacht haben und ihre Sexualität als mündige Menschen reflektieren wollen. Und das Institut hat mich wie bisher keine andere Anlaufstelle auf diesem Weg begleitet.

Keine moralischen Vorurteile - keine Zielvorgaben - kein Druck

„Markus Hoffmann, Leiter des IDISB in Tamm bei Stuttgart, hat mich um eine Stellungnahme dazu gebeten, wie ich ihn und seine Arbeit erlebt habe und erlebe. Ich kenne Markus Hoffmann seit bald 13 Jahren. 2007/08 hatte ich erstmals mit ihm Kontakt. Seitdem waren unsere Kontakte mal mehr, mal weniger regelmäßig. Es handelte sich dabei bisher ausnahmslos um persönliche Gespräche von meist zwei bis drei Stunden Dauer.

Ich bin ein homosexuell, in früheren Lebensphasen auch bisexuell empfindender Mann. Es ging und geht in unseren Gesprächen um Fragen meiner geschlechtlichen und sexuellen Identität, meiner Beziehungen und Gefühle für Männer und Frauen. Zu Markus Hoffmanns Gesprächsführung kann ich nicht mit fachlicher Expertise Stellung nehmen, da ich weder über eine psychologische noch eine psychiatrische Ausbildung verfüge. Als Akademiker mit einer wissenschaftlichen Ausbildung bin ich jedoch sehr wohl in der Lage, mir ein allgemeines Urteil über seine Arbeitsweise in meinem Fall zu bilden. Meine Einschätzung beruht auf der Prüfung meiner Erinnerungen an unsere Gespräche und gelegentlichen Schriftwechsel. Über den Inhalt unserer Gespräche führe ich keine Protokolle, weder währenddessen noch danach. Bestenfalls notiere ich mir wenige Stichwörter, gelegentlich auch zwei, drei Sätze, die von Bedeutung sind/waren. Ich erinnere mich aber deutlich an die wesentlichen Inhalte, den Tenor und die Atmosphäre der Gespräche. Zudem – und für den vorliegenden Zweck sicher wichtiger - kann ich ex negativo mit großer Bestimmtheit sagen, was kein Bestandteil unserer Gespräche war

Keine (moralische) Verurteilung. Ich kann mich an keine wie auch immer geartete Äußerung von Markus Hoffmann erinnern, mit der er meine Empfindungen oder mein Handeln verurteilt oder auch nur in ein schlechtes Licht gerückt hätte. Das hätte wohl auch zum Abbruch des Kontakts meinerseits geführt. Moralische, religiöse oder anderen Maßstäbe zu meinen sexuellen Handlungen, Empfindungen oder Identitäten spielen in unseren Gesprächen keine Rolle. Es mag sein, dass sie hin und wieder Gesprächsgegenstand waren, doch nie Maßstab. Maßstab war und ist vielmehr mein eigenes Empfinden, d.h. meine Gefühle und mein Erleben der Realität, sei es positiv oder negativ oder welche erdenkliche Gemütslage auch immer. In anderen Worten: Ich bin der Auffassung, dass die Freiheit des Einzelnen der Maßstab der Gesprächsführung von Markus Hoffmann ist.

Keine Zielvorgabe. Markus Hoffmann sieht sich von verschiedener Seite dem Vorwurf ausgesetzt, er berate Klienten unter der Maßgabe, sie „umpolen“ zu wollen, d.h. aus „Homos“ „Heteros“ machen zu wollen. „Umpolungsversuche“, seien sie offen oder subtil, hat es zu keiner Zeit gegeben. Im Gegenteil: Ich habe ihn einmal gefragt, ob er mir zu einer Beziehung zu einem Mann/Männern raten würde. Seine Antwort war bejahend, denn jede Beziehung sei ein Gewinn (freilich sind meiner Erfahrung nach manche Beziehungen nur ein Gewinn in dem Sinn, weil man weiß, was man nicht will). Seine Haltung widerlegt jedoch an meinem Beispiel die Behauptung, er würde „heterosexuelle Zielvorgaben“ machen. Ich kann das nur verneinen. Eine solche „Vorgabe“ habe ich auch nicht von ihm erbeten. Vielmehr ging es in unseren Gesprächen um die Frage, wie ich zu einer erfüllten Beziehung mit einem Mann – oder, nicht völlig ausgeschlossen, auch einer Frau - kommen kann oder warum Beziehungen und Beziehungsversuche scheitern.

Keine Druckausübung. Ich empfinde unsere Gespräche als geschützten Freiraum, in dem ich so sein kann, wie ich bin. Mein Gefühl ist, dass ich auf Augenhöhe unter Meinesgleichen bin. Wenn in unseren Gesprächen überhaupt etwas „behandelt“ wird, dann ist es nicht meine sexuelle Identität, sondern höchstens wir die Frage „behandelt“, ob ich mit meiner Identität, meinem Beziehungs- und Geschlechtsleben zufrieden bin oder nicht und welche Gründe ich selbst dafür sehe.

Ich möchte außerdem darauf hinweisen, dass es – soweit meine Erinnerung zurückreicht - keine finanziellen Forderungen von Markus Hoffmann für seine Beratung gegeben hat. Ich selbst habe die Frage eines Honorars kürzlich einmal angesprochen. Markus Hoffmann hat darauf geantwortet, dass ich, wenn ich das denn unbedingt wolle, etwas spenden könne. Mehr nicht. Das ist zweifellos ungewöhnlich.

Ich wäre auch dazu bereit, Dritten über meine Erfahrungen in einem persönlichen Gespräch zu berichten, sofern meine Anonymität gewahrt bleibt. (Name der Redaktion bekannt!)