MEHR oder weniger – Zurück von der MEHR swap_horiz

Zu Gast auf der MEHR

Das IdiSB war zu Gast bei der Mehr-Konferenz in Augsburg vom 4.-7 Januar 2024. Ein Team von uns betreute in der Messehalle einen Stand, um den Hochschulstudiengang Leib - Bindung - Identität zur entwicklungssensiblen Sexualpädagogik vorzustellen, sowie ein Buch mit 39 Lebensberichten von Männern und Frauen, die darstellen, warum sie die homosexuellen Anteile in ihren Gefühlen nicht in einer Partnerschaft ausleben wollen. Sehr viele Besucher der Konferenz hatten großes Interesse an diesen Angeboten, suchten das Gespräch, kauften das Buch, überlegten, sich für den Studiengang zu bewerben.

Auf der MEHR-Konferenz, die wir zusammen mit 11.000 Besucherinnen und Besuchern erlebt haben, kam es dann aber auch zu typischen Fragen eines Journalisten des Bayerischen Rundfunks. Seinen zugespitzten Fragen war zu entnehmen, dass er an einem kritischen Bericht arbeitet und das idisb weiterhin verdächtigt, Konversionstherapien anzubieten. Auch der Darstellung der Bruderschaft des Weges oder der Vorstellung des Buches „Weil ich es will“ trat er mit dem Verdacht entgegen, hier würde für alle homosexuelle Menschen die Enthaltsamkeit propagiert.

Verdacht der Konversionstherapie 

Auf unserer Homepage und im Entstehungsprozess des Konversionsverbots oder dem SOGISchutzG (Sexuelle-Orientierung-und-geschlechtliche-Identität-Schutz-Gesetz) haben wir deutlich gemacht, dass wir keine Konversionstherapie betreiben und diese massiv ablehnen. Wir haben dem Gesundheitsministerium in Fragen des Gesetzes sogar zugearbeitet und eigene Vorschläge eingebracht. Denn auch uns war es ein Anliegen, dass Menschen nicht durch falsche Versprechen geschädigt werden.

Da bereits damals die Vorstellung kursierte, wir würden Konversionstherapie betreiben, haben wir gegenüber dem Gesundheitsministerium klargestellt, dass wir uns in der Beratung nur auf die nicht-sexuellen Konflikte beziehen, die sich mit der Sexualität oder sexuellen Orientierung (egal welche) verbunden haben können.

Wir haben immer wieder betont, dass wir uns dabei an einen Standard halten, der auch von sexualwissenschaftlicher Seite belegbar ist. Wir sind dankbar, dass sich inzwischen auch die Zeitschrift für Sexualwissenschaft in Deutschland mit dem Thema auseinandergesetzt hat. So weist etwa Ralf Binswanger (2021) darauf hin, dass Sexualität und sexuelle Orientierungen unter zwei Aspekten betrachtet werden können. Einer Sexualität per se, hierbei handelt es sich um den sexuellen Ausdruck oder das sexuelle Erleben einer Person, für das keine Therapie zu raten ist. Daneben steht die Sexualität in actu, die danach fragt, welche Themen, Bedürfnisse oder Motive ein Mensch in seiner Sexualität bewegt, und ob diese mit der Sexualität unproblematisch verbunden sind oder ob sich darin nicht-sexuelle Funktionen befinden, die mit einem nicht-sexuellen Konflikt verbunden sein könnten. Diese Konflikte, so Binswanger, können mit Mitteln sexualwissenschaftlicher Theorie auch beschrieben und nur diese Konflikte können in einer Therapie bearbeitet werden.

In unserer Beratung arbeiten wir seit rund 20 Jahren genau nach diesem theoretischen Ansatz. Allerdings ist ein solcher Ansatz öffentlich schwer darzustellen; daher verstehen wir, dass er vielen Menschen zunächst unverständlich erscheint.

Nicht selten hat der explizite Hinweis auf diesen theoretischen Hintergrund, wie im Internet nachzulesen, bei Menschen und Organisationen, die uns kritisch sehen, zum Verdacht geführt, dass diese Worte nur eine Schutzbehauptung sind. In Wirklichkeit würden wir heimlich Konversionstherapien oder konversionsähnliche Praktiken umsetzen.

Erklärung von Ratsuchenden

Wir können diese Unterstellungen wohl niemals aus dem Weg räumen. Auch nicht durch Stellungnahmen von Ratsuchenden auf unserer Homepage. So sind dort sowohl Aussagen von Menschen zu finden, die ihre Homosexualität leben, wie von solchen, die sie nicht ausleben wollen. Beide Gruppen sagen, dass sie bei uns keine Konversionstherapie oder konversionsähnlichen Praktiken erlebt haben.

Gegen anonyme Beschuldigungen oder Verdächtigungen im Internet, deren Quellen ehemalige Ratsuchende sein sollen, können wir allerdings nichts unternehmen. Wir können nur sagen, was wir tun und was wir nicht tun. Wir hoffen jedoch, dass die Stimmen der Ratsuchenden, die sich namentlich zu Wort melden, auch berücksichtigt werden.

Ratsuchende, die uns Konversionstherapie vorgeworfen hätten 

Es stimmt, dass es Menschen gab, die uns Konversionstherapie vorgeworfen haben. Bekannt sind uns zwei von ihnen, die sich im Gutachten der Magnus-Hirschfeld-Stiftung äußerten. Allerdings haben diese Personen nie eine Beratung bei uns als idisb e.V. in Anspruch genommen. Wir kennen diese Personen nicht. Sie haben ein aus den USA stammendes Selbsthilfeprogramm durchlaufen, das sich „Living Waters“ nennt. Diese Programme wurden, wie mehrfach von uns erklärt, nicht von uns durchgeführt, sondern fanden in christlichen Gemeinden statt. Unser Verein hat damals nur die Teilnehmer-Handbücher verwaltet und freiwillige Mitarbeiterschulungen angeboten. Doch auch von dieser Aufgabe haben wir uns längst distanziert und die Zusammenarbeit mit den Anbietern des amerikanischen Living-Waters-Programms beendet. Das hatten wir damals transparent öffentlich gemacht. Grund dafür war insbesondere, dass eine Befragung von Rund 100 Teilnehmerinnen und Teilnehmern ergeben hatte, dass sie das Programm im Sinne von „Konversionstherapie“ missverstanden hatten. Neben theologischen Anfragen an die Inhalte von „Living Waters“ hatte dies bereits 2005 zur Beendigung des Programms im deutschsprachigen Raum geführt.

Dass Teilnehmerinnen und Teilnehmer das Programm „Living Waters“ als Konversionsbehandlung verstanden haben, kann man auch den Aussagen von Mike F. und Bastian M. entnehmen, die im Bericht der Magnus-Hirschfeld-Stiftung abgedruckt sind. Beide berichten, dass sie das Programm in Richtung „Konversionsbehandlung“ interpretiert haben. Keiner allerdings berichtet, dass das Programm ein solches Angebot explizit auch wirklich gemacht hätte.

Als Organisation haben wir ebenso mehrfach berichtet, dass wir aufgrund der Fehlinterpretation von Betroffenen nicht nur die Zusammenarbeit mit dem US-amerikanischen Programm „Living Waters“ beendet haben, sondern dass wir unsere Beratung einer Veränderung unterzogen haben.

Beratungsvereinbarung

In einer Beratungsvereinbarung, die wir mit jedem Menschen durcharbeiten, der unsere Beratung aufsucht, erklären wir, dass wir keine Konversionstherapie durchführen, und dass Gegenstand der Beratung nur nicht-sexuelle Konflikte sein können, mitunter solche, die sich mit der jeweiligen Sexualität verbunden haben können.

Zudem gehen wir sorgfältig auf den Minderheitenstress ein, dem Menschen mit nicht-heterosexueller Orientierung häufig ausgesetzt sind. Auch diskutieren wir mit Ratsuchenden ausführlich die Ergebnisoffenheit der Beratung.

Ehrlichkeit

Wir räumen auf unserer Homepage aber auch ein, dass wir früher den Eindruck vermittelt haben, dass eine Veränderung der sexuellen Orientierung möglich sein kann. Wir haben diese aus unseren Anfängen stammende Fehleinschätzung eingeräumt und arbeiten nach dem hier dargestellten Konzept „konflikthafter Sexualität“ seit fast 22 Jahren.

Die Bruderschaft bietet keine konversionsähnlichen Veranstaltungen an

Die Bruderschaft, die inzwischen als eigener Verein in der Schweiz existiert, bietet selbst keine Beratung oder ähnliches an, sondern versteht sich ausschließlich als Gemeinschaft. Auch werden keine Veranstaltungen angeboten, die etwas mit Konversion oder Werbung für Konversion oder Enthaltsamkeit zu tun haben.

Die Bruderschaft lebt in Form einer überregionalen Gemeinschaft. Zur Bruderschaft gehören Männer, die ihre Sexualität als konflikthaft erleben oder in der Vergangenheit erlebt haben. Bis heute kommen sie im Alltag immer mal wieder mit psychischen Konflikten unterschiedlicher Art in Berührung, die zu einer Stressbelastung führen. Die Brüder helfen einander bei der Stressbewältigung und stärken sich gegenseitig in ihrem christlichen Glauben.

Bruderschaft propagiert keine enthaltsame Sexualität

Die Bruderschaft propagiert nicht, dass Homosexualität nur enthaltsam gelebt werden kann. Wenn die Brüder ein Zeugnis geben, dann deshalb, weil sie von ihrem Erleben berichten und weil sie dadurch auf die erlebte Ausgrenzung aus dem kirchlichen Dialog hinweisen wollen. Auf der MEHR-Konferenz wurde daher auch nichts propagiert. Einzelne Brüder luden vielmehr zum Kennenlernen ihrer Position ein. Andere Positionen wurden dabei weder erwähnt noch abgewertet.