Richtigstellung zum ARD-Beitrag „Undercover in der Konversionstherapie“ - auf YouTube swap_horiz

Seit 20. Februar kann man auf YouTube auf dem Kanal „reporter“ den Beitrag „Undercover in der Konversionstherapie“ sehen. „reporter“ ist ein journalistisches Format, das hier als Gemeinschaftsprojekt von ARD und ZDF veröffentlicht.

In dem Beitrag wird unter anderem ein heimlich gefilmtes Beratungsgespräch in unseren Beratungsräumen gezeigt. Aus rechtlichen Gründen wurde der so entstandene Originalton aber nicht ausgestrahlt, sondern der Journalist Timm Giesbers berichtet aus dem Gedächtnis, was in welcher Situation gesagt worden sei - und verdreht dabei einige Tatsachen und macht unwahre Tatsachenbehauptungen.

Wir können und möchten nicht auf alle Fehler des Beitrags und erst recht nicht auf die tatsächlich stattgefundenen Gesprächsinhalte im Einzelnen eingehen. Den wahrheitswidrigen und wahrheitsverdrehenden Aussagen des Beitrags wollen wir aber eine Richtigstellung entgegensetzen.

Gesprächsanlass war die Angabe des Journalisten, dass er sich sowohl zu Männern als auch zu Frauen hingezogen fühle; und dass er aber sicher sein möchte, ob er eine Familie mit einer Frau gründen könnte, weil das sein großer Wunsch sei.

Gesprächsinhalt war in einem einstündigen Telefonat und in einem zweistündigen Gespräch in unserer Beratungsstelle insbesondere der aktuelle Konflikt des Journalisten, dass er sich unter Männern dauerhaft gestresst, unentspannt, verunsichert fühle.
Die meiste Zeit hat in den Gesprächen er selbst erzählt und gedeutet. Fragen hatte er wenige.

In beiden Gesprächen wurde Herr Giesbers mehrere Male darauf hingewiesen, dass man eine sexuelle Anziehung oder Orientierung nicht beeinflussen kann und niemand seriös einem Menschen das Angebot machen kann, ihm von einer Homosexualität zu einer Heterosexualität zu verhelfen. Auch wurde er mehrere Male darauf hingewiesen, dass Homosexualität weder Krankheit noch Störung sei, dass wir keine Therapeuten sind und auch keine Heilbehandlung durchführen. Ihm wurden gleich zu Beginn des Gesprächs Inhalte unserer Beratungsvereinbarung bekannt gegeben. Darunter, dass man nicht direkt an der Sexualität eines Menschen arbeiten könne und nur reale, psychische Konflikte Gegenstand von Beratung sein können. Ebenso, dass es wichtig sei, sich bei Organisationen zu erkundigen, die auf dem Weg eines selbstbewusst gelebten Schwulseins unterstützen können. Die Vereinbarung hätte ich ihm schriftlich ausgehändigt und unterschreiben lassen, wenn wir uns auf einen anhaltenden Beratungskontakt geeinigt hätten. Herr Giesbers machte aber gleich deutlich, dass er das von Köln aus sicher eher nicht realisieren könne. Stattdessen wollte er eher mal an einem Männerseminar von uns teilnehmen, um an seiner Unsicherheit zu arbeiten.

Daher ist es wahrheitswidrig, wenn Herr Giesbers in dem Beitrag im Zusammenhang mit unseren Gesprächen von „Umpolung“ und von „Konversionstherapie“ spricht, und mir die Begriffe „Therapie“ und „heilen“ in den Mund legt.

Es stimmt nicht, dass ich gesagt hätte, dass „in der Therapie danach gesucht wird, wo eine Verletzung in der Lebensgeschichte entstanden ist“. Wir sprechen bei unserer Beratung nie von Therapie, da wir auch keine Heilbehandlung anbieten. Es wird auch nicht nach Verletzungen gesucht - schon gar nicht, um die Entstehung von Homosexualität erklären zu können. Im Kontext seines selbst eingebrachten aktuellen Konflikterlebens, nämlich seiner Ängste in der Beziehung zu Männern, wollten wir aber die Geschichte dieses Erlebens in seiner Biographie verstehen.

Nie behaupten wir, dass die Bearbeitung solcher Verletzungen in der Lebensgesichte „automatisch“ dazu führt, dass das „Bedürfnis einen anderen Mann zu lieben“ kleiner werde.
So würde, sagt Giesbers, ja doch klar an dem Ziel gearbeitet, homosexuelles Begehren zu verringern. Das will Herr Giesbers offenbar gern so darstellen, aber daran arbeiten wir nicht.

Sehr wohl gibt es aber Menschen, die für sich eindeutig beschreiben, dass das erlebte Wohlbefinden unter Geschlechtsgenossen - ohne Scham und ohne Ängste, dazu beigetragen habe, dass sie die Kontakte zum gleichen Geschlecht weniger sexualisierten. Diese Beobachtungen gibt es - auch wenn wir immer darauf hinweisen, dass nicht jeder so etwas für sich erlebt und dass das Ziel der Abbau von emotionalen und psychischen Konfliktlagen sein muss und nicht die Veränderung der sexuellen Anziehung.

Boshaft erscheint die Formulierung, die dann folgt: „Und er stellt mir auch seine Theorie vor, warum man überhaupt schwul wird.“ Völlig aus dem Kontext gerissen zitiert er dann meine Darstellung von Heinz Kohuts Modell in der Selbstpsychologie. Weder Kohut noch ich noch unser Institut erklären auf diesem Weg die Entstehung von Homosexualität. Der Anlass für die Darstellung des Ansatzes von Kohut war, wie oben ausgeführt, ein Grundverständnis dafür aufzubauen, wie ein Junge normalerweise sein Selbst in der Bewegung von Bindung zu Autonomie in der Beziehung zum Vater entwickelt. Dies vor dem Hintergrund des von Herrn Giesbers berichteten emotionalen und psychischen Konfliktes gegenüber Männern.

Unterstellend ist daher auch das angebliche Zitat: „Bei Schwulen meint er, ist diese Identitätsentwicklung irgendwann schief gelaufen.“
Tatsache ist, dass ich die Identitätsentwicklung im Kontext seiner berichteten Konfliktlage als Modell erläutert habe. Zu keinem Zeitpunkt habe ich eine allgemeine Aussage darüber gemacht, wie sich die Identitätsentwicklung „bei Schwulen“ im Allgemeinen vollzieht oder dass da irgendwann etwas schief gelaufen sei. Dies sind wahrheitswidrige und verleumderische Aussagen.

Zusammenfassend sagt der Journalist, dass es „durchgeknallt“ gewesen sei, was „der Typ“ ihm erzählt habe. Tatsächlich hat hauptsächlich er im gesamten Beratungskontakt Thesen aufgestellt und sich selbst analysiert. Und tatsächlich hat er sich im Nachhinein mehrmals freundlich und verbindlich und dankbar gemeldet.

Er zitiert dann noch, ich habe ihm angeboten, ihn weiter auf seinem Weg zur Heterosexualität zu begleiten. Davon war nie die Rede. Ich habe ihm angeboten, ihn in seinem aktuellen psychischen Konflikt begleiten zu können, nämlich der von ihm dargestellten Beziehungsschwierigkeiten (und nicht seiner sexuellen Orientierung).

Schließlich behauptet er, ich habe gesagt, dass sich bei uns „freiwillig ganz viele junge Homosexuelle melden, um sich heilen zu lassen“. Ich kann bestätigen, dass sich viele Menschen verschiedenen Alters an uns wenden, die ihr Erleben im Begehren und in der Sexualität konflikthaft empfinden. Niemand wendet sich aber an uns, um sich „heilen“ zu lassen. Wir bieten keine Heilbehandlung an, wir therapieren keine „Krankheiten“ - und nie nennen wir das, was wir in der Beratung anbieten, Heilung. Auch hier wird in dem Beitrag ganz bewusst die Unwahrheit gesagt.

Ich wusste von Anfang an, dass es sich bei Herrn Giesbers um einen Journalismus-Studenten handelt, der auch für den WDR arbeitet. Dennoch wollte ich ihm vertrauen, seine Frage und seine Konflikte ernst nehmen.
Ich habe mich zu jedem Zeitpunkt seriös, professionell und zugewandt verhalten und kann mir keinen Fehler vorwerfen. Ich habe Herrn Giesbers keine Versprechungen gemacht und ihm keine Informationen gegeben, die man nicht in der psychologisch-psychiatrischen oder sexualwissenschaftlichen Literatur nachlesen kann.
Es ist bedauerlich, dass es Herrn Giesbers trotzdem gelungen ist, seinen Beitrag so zu bearbeiten, dass er unsere Arbeit als Institut und mich als psychologischen Berater in Verruf bringen kann.

Auch wenn durch die Diskussion um das Verbot von sogenannten Konversionstherapien, die jetzt insbesondere von Gesundheitsminister Spahn vorangetrieben wird, die Lust am Krawall und an einer stark emotionalisierenden Debatte hochkocht - wir hoffen darauf, dass sich Medien und insbesondere die politischen Entscheidungsträger am Ende an Fakten orientieren und auch wir darin Gehör finden.

Stefan Schmidt, Tamm 22. Februar 2019