​Erklärung und Stellungnahme zu einem Artikel vom 27. Mai 2020 in Der Standard swap_horiz

Artikel im STANDARD - „Homofeindlichkeit - Christliche Sexualpädagogik und ihre Netzwerke“ von Brigitte Theißl, Beate Hausbichler

Der Artikel im Österreichischen Der Standard (27. Mai 2020) von Brigitte Theißl und Beate Hausbichler spricht von katholischen Netzwerken im Bereich christlicher Sexualpädagogik und suggeriert einen Zusammenhang zwischen dem „Institut für Religiosität in Psychiatrie und Psychotherapie“ und dem Studiengang „Leib - Bindung - Identität“, der an der Hochschule Heiligenkreuz durchgeführt wird. Zudem wird diesem Netzwerk durchgängig Homophobie unterstellt, was in Zusammenhang gebracht wird mit dem Namen Markus Hoffmann und seinem „Institut für dialogische und identitätsstiftende Seelsorge und Beratung“. So berichtet der Artikel, dass der Studiengang mit entwickelt wurde von Markus Hoffmann und dem Institut idisb e.V., das „massiver Kritik durch LGBT-Organisationen ausgesetzt“ war, „da die Gruppe Homosexualität als ‚durch Therapie veränderbar‘ definiert“.

Richtigstellung

1. Es besteht kein Zusammenhang zwischen dem RPP-Institut von Raphael Bonelli und dem Studiengang „Leib - Bindung - Identität“. Es gab in der Vergangenheit keinen Kontakt zwischen den Instituten und es ist in Zukunft kein solcher geplant. Der hergestellte Zusammenhang ist willkürlich und ist geeignet, eine durch die Journalisten selbst hergestellte Verschwörungstheorie zu festigen.


2. Es ist richtig, was Raphael Bonelli in seinem Kommentar zum Artikel auf YouTube sagt: Markus Hoffmann hat ein Paper für die besagte Konferenz in Graz eingereicht. Nach Protesten hat er aber freiwillig zurückgezogen, da eine offene, faire Diskussion über die in der Arbeit von Hoffmann gewonnenen Beobachtungen und Erkenntnisse nicht mehr im Rahmen eines vom wissenschaftlichem Respekt getragenen Diskurses möglich war.


3. Es ist richtig, dass Markus Hoffmann und sein Institut aufgrund des Themas „Veränderung von Homosexualität“ und „Therapie“ massiven Anfeindungen der LGBT Bewegung ausgesetzt waren. Uns freut jedoch, dass hier die Vergangenheitsform gewählt wurde. Denn nachdem sich das Institut von Markus Hoffmann mit einem eigenen Gesetzentwurf für das Verbot von Konversionstherapien in Deutschland eingesetzt hat und seit Jahren erklärt, dass im Institut keine Konversionsbehandlungen durchgeführt werden, muss die Kritik der Vergangenheit angehören.


4. Bei genauerer Recherche der Journalistinnen des Standards und in einem direkten Gespräch mit dem idisb e.V. und Markus Hoffmann hätte in Erfahrung gebracht werden können, welchen Weg die Auseinandersetzung mit den Themen „Homosexualität“, besser „Homosexualitäten“, und „sexuellen Orientierungen“ in den letzten 20 Jahren beim IdiSB e.V. genommen hat.

So ist auf der Homepage des Instituts zu lesen, dass man als Selbsthilfegruppe begonnen hat, und dass diese Gruppe sich als Reaktion auf Konversionsbehandlungen gründete, die die Mitglieder der Gruppe selbst erlitten hatten. Gleichzeitig war man aber suchend, denn einige Mitglieder waren mit einer nicht manifesten Form der sexuellen Orientierung konfrontiert. Da hatte sich die Frage gestellt, ob in der erlebten Fluidität eigener Orientierung nicht Konflikte und Fragen verborgen sind, weshalb sich einmal „homosexuelles Begehren“ und ein anderes mal „heterosexuelles Begehren“ durchsetzt. - Es wird dann aber auch nicht bestritten, dass, als sich in dieser Gruppe eine Neuausrichtung der sexuellen Orientierung einstellte, man einige Zeit euphorisch von Veränderung sprach.

Dieser Veränderungsoptimismus wurde aber spätestens im Zuge zunehmender Professionalisierung abgelegt, als man feststellte, dass es Menschen gibt, bei denen eine bestimmte sexuelle Orientierung manifest ist, auch wenn es Menschen gibt, bei denen sie sich fluide zeigt.

Das Institut will nach allen Entwicklungen, Infragestellungen, kritischen Reflexionen, etc., heute ausschließlich ein Ort sein, für Menschen, die ihre Sexualität aus welchen Gründen auch immer, konflikthaft erleben. Das Institut wendet sich bewusst diesen Menschen zu, da sie in den offiziellen Diskussionen um sexuelle Orientierungen ausgeklammert werden. Dabei konzentriert sich die Arbeit des Instituts ausschließlich auf die Not, die Menschen formulieren und hat keine missionarischen oder ideologischen Interessen. Die Forderung, die das Institut stellt, ist allein, dass Menschen, die ihre Sexualität konflikthaft empfinden, gehört werden, dass sie auf der Ebene von Wissenschaft, therapeutischer und beraterischer Praxis gehört werden und dass ihr Dilemma genauso ernst genommen wird, wie das von Menschen, die ihre sexuelle Orientierung in einer rechtlich verankerten Partnerschaft verwirklichen wollen[1].

Das Institut begleitet in der Konsequenz heute nur Menschen, die ihre Sexualität konflikthaft erleben. Dabei interessiert nicht, wie Ratsuchende ihre sexuelle Orientierung leben. Es interessiert im Kontext von Beratung nur, ob eine Person einen Konflikt empfindet, den man in einer ergebnisoffenen Beratung begleiten kann. - Dass das Institut auch Menschen ergebnisoffen begleitet, die ihre Homosexualität leben, ist auch durch betroffene Menschen auf der Homepage des Instituts inzwischen bezeugt[2].


5. Die Suche nach einem Verstehen von Sexualität zeichnet das Institut bis heute aus. Hätten sich die Journalistinnen unvoreingenommen und selbst ergebnisoffen einem Gespräch mit dem Institut gestellt, wären sie dort auf ein umfassendes Erfahrungs- und Theoriewissen gestoßen, in dem alle Ansätze - auch die von der LGBT Bewegung - auf der Ebene wissenschaftlicher Relevanz beleuchtet werden. Sie wären auf Menschen gestoßen, die sich von der wissenschaftlichen Forschung ständig neu konfrontieren lassen, die sich in Frage stellen lassen, die sich korrigieren, die dazu lernen, wie es einem wirklich wissenschaftlich denkenden und arbeitenden Menschen entspricht.

Und sie wären auf Menschen getroffen, die hinter die Ergebnisoffenheit ihre eigene Überzeugung, ihre eigene Lebensgeschichte, ihre eigene Weltanschauung, weit zurücktreten lassen. Denn der Ethos des Instituts ist, dass jeder Mensch seinen Standpunkt in Bezug auf den Entwurf eigener Sexualität finden muss, was er aber nur kann, wenn er die Gelegenheit hat, sich der widersprüchlichen, komplexen Natur von Sexualität und Geschlechtlichkeit stellen zu dürfen.

„Homophobie“ ist daher kein Stichwort, unter dem die Arbeit des Instituts idisb e.V. zusammengefasst werden kann. Denn die oben beschriebene Konfrontation ist nur möglich, wenn man sich einer innewohnenden „Homophobie“ ebenso stellt, wie einer heute salonfähig gewordenen „Heterophobie“.


6. Es ist richtig, dass das Institut idisb e.V. sich in die Entwicklung des Studienlehrgangs „Leib - Bindung - Identität“ eingebracht hat. Das Institut arbeitet dort zusammen mit unterschiedlichen Fachwissenschaftlern aus dem Bereich Entwicklungspsychologie, Sexualwissenschaft, Soziologie, Bildungswissenschaft und Pädagogik, Philosophie und Theologie. Das Institut ist dabei eine Stimme unter anderen und stellt sich dem wissenschaftlichen Diskurs.

Ein Kennenlernen des Ansatzes, wie er im Studienlehrgang „Leib – Bindung – Identität“ entwickelt wird, hätte den Journalistinnen gezeigt, dass im Curriculum des Studiengangs nicht nur alle gängigen Geschlechts- und Sexualtheorien gelehrt und diskutiert werden, sondern dass Sexualität und Geschlechtlichkeit zugleich in neuen Kontexten quer gedacht werden.

So beschäftigt sich der Studiengang unter Anwendung unterschiedlicher Disziplinen und im Diskurs von differierenden Theorien, mit der Frage, wie der Mensch die Ankunft im eigenen Leib bewältigt, mit der gleichzeitig, und unter dem Akzent der Sexualität, eine Hinordnung auf das Soziale verbunden ist? Wie kann sich der Mensch in Offenheit und Freiheit diesem Prozess stellen? Wie kann er – bottom up - zu einer selbstbehauptenden Sexualität und Geschlechtlichkeit einerseits finden und Stellung beziehen, zu Theorien, die – heute oft top down - seine Geschlechtlichkeit und Sexualität definieren wollen? Wie kann er Freiheit im eigentlichen Sinn verwirklichen, zwischen dem scheinbar „evolutionären Beiwerk“ seines Geschlechtsleibes und dem Wunsch nach der freien Aushandlung von Identität?

Ziel des Studiengangs ist daher nicht die Durchsetzung einer bestimmten Sicht auf Sexualität und Geschlechtlichkeit, sondern die Verwirklichung eines didaktisch-methodischen Ansatzes, der dem Lernenden alle möglichen wissenschaftlichen Inhalte zu verschiedenen Themen zum Selbstumgang übergibt. Es werden in Bezug auf die Inhalte daher streng wissenschaftliche Kriterien angelegt, was heisst, dass nicht Meinungen oder ideologisch verkürzte Ansätze vermittelt werden, sondern das, was seriös über einen Gegenstand gesagt werden kann.

Da Sexualität und Weltanschauung schon im Vollzug menschlicher Sexualität schwer zu trennen sind, werden dem Lernenden verschiedene weltanschauliche Konzepte von Sexualität vorgestellt, zu denen er seine eigene Stellung erarbeiten muss. Nur das selbsterarbeitete, im Kontext unterschiedlicher Theorien diskursiv erworbene Wissen kann zu einer selbstbehaupteten Sexualität führen, die für den jungen Menschen, der durch die Sexualpädagogik hauptsächlich angesprochen wird, zukunftsweisend ist.

Das Institut und die Gruppe, die seit Jahren in aufwendiger Arbeit den Studiengang „Leib - Bindung - Identität“ entwickelt hat, lädt die Journalistinnen gerne zu einer Fachdiskussion ein. Eine solche Diskussion kann aber nur gelingen, wenn man nicht bereits vorher irgendwelche Vorstellungen auf den Gesprächspartner projiziert, sondern die Bereitschaft zum Hören mitbringt.

Ebenso braucht man Zeit, denn die im Studienlehrgang „Leib – Bindung – Identität“ vertretene Sexualpädagogik kann nicht auf einige wenige Begriffe und Etiketten reduziert verstanden werden. Daher sprechen wir hier die ausdrückliche Einladung zum ernstgemeinten Dialog aus.


Gez. Markus Hoffmann, 28.5.2020



[1] https://www.idisb.de/aktuell/erkl%C3%A4rung-zur-entwicklung-und-zu-stand-unserer-arbeit/

[2] https://www.idisb.de/aktuell/ergebnisoffenheit-zwe...