Beratung - Sexualität swap_horiz

Frauen und Männer suchen aus unterschiedlichen Gründen psychologische Beratung bei Fragen und Konflikten mit der Sexualität auf. Vor allem sind es

  • Menschen, die in ihrer Partnerschaft sexuell blockiert sind oder scheitern.
  • Menschen, in deren Partnerschaft die Sexualität zum Erliegen gekommen ist.
  • Menschen, die in ihrer Sexualität traumatisiert wurden.
  • Menschen, die sich als asexuell empfinden.
  • Menschen, die sich als sexuell süchtig erleben.
  • Menschen, die sich als pornografiesüchtig definieren.
  • Menschen, die den häufigen Wechsel von sexuellen Beziehungen als Konflikt empfinden.
  • Menschen, die zwischen der Ebene ihrer sexuellen Phantasien, ihrem sexuellen Verhalten, ihrem sexuellen Begehren und ihrer sexuellen Identität eine Inkongruenz wahrnehmen.
  • Menschen, die sich sexuell ausbeuten lassen oder zu sexueller Ausbeutung neigen.

Was ist der Grund für sexuelle Konflikte? 

Es gibt nicht den „einen Grund“, weshalb ein Mensch individuell seine Sexualität konflikthaft empfindet. In über zwanzig Jahren der Arbeit mit Menschen, die ihre Sexualität konflikthaft erleben, haben wir sehr viele unterschiedliche Konflikte gehört. Hier können wir nur einige Konfliktlinien aufzeigen:

  • Manche Menschen haben Konflikte mit der Sexualität in der Partnerschaft, weil sich im Moment der sexuellen Begegnung bestimmte Ängste im Menschen mobilisieren, die dazu führen, dass die sexuelle Erregung ausbleibt, oder die sexuelle Vereinigung als schmerzhaft erlebt wird.
  • Bei manchen Menschen ist die Sexualität in der Partnerschaft zum erliegen gekommen, weil sie Sexualität auf den Aspekt der Lust verengt und übersehen haben, dass auch nicht-sexuelle Beziehungsaspekte und rein psychologische Bedürfnisse wie Wärme, Annahme, Bestätigung etc. eine Rolle bei der partnerschaftlichen Sexualität spielen.
  • Menschen, die gar keine Sexualität wollen, also asexuell sind, haben manchmal versteckte Ängste vor anderen, haben Schwierigkeiten, sich auf andere einzulassen, oder haben ein tief eingebranntes moralisches Verständnis von Sexualität, das zur Verdrängung sexueller Bedürfnisse geführt hat.
  • Menschen, die sich süchtig erleben, erleben in ihrem Alltag vielleicht viele Frustrationen, die sie in der Sexualität und in den damit verbundenen illusionären Gedanken bewältigen, oder sie konnten noch nie gut mit ihren Emotionen und ihren Impulsen umgehen, so dass sie sich ständig inneren Spannungen ausgesetzt fühlen, die sie über die Sexualität zu regulieren versuchen.
  • Manche Menschen, die immer wieder in die Welt der Pornografie abrutschen, haben sich einfach daran gewöhnt und erleben, dass man schneller zur sexuellen Befriedigung findet, wenn man Pornografie konsumiert, als wenn man sich auf die Komplexität von Beziehung einlässt. Andere benutzen Pornografie, weil sie darin der Illusion eines attraktiven Mann- oder Frauseins nachträumen können, aber sich in Wirklichkeit in der eigenen Haut unwohl fühlen. Andere fliehen in der Pornografie aus einer unglücklichen Beziehung.
  • Manche Menschen wechseln ihre sexuelle Beziehungen, weil sie nicht daran glauben, dass sie für andere liebenswert sind. Andere wollen dadurch dem Beziehungsverlust zuvorkommen, den sie in jeder nahen Beziehung befürchten. Andere haben sich an diese Form der Sexualität schlicht gewöhnt oder sehen darin einen Nervenkitzel und Abenteuer.
  • Manche Menschen empfinden in ihrer sexuellen Orientierung eine Inkongruenz: Jede sexuelle Orientierung besteht aus den Ebenen der Phantasie, der Anziehung, des Verhaltens und der Identität. Zwischen diesen Ebenen können Menschen eine Inkongruenz erleben: Ein Mensch erlebt eine sadomasochistische Fantasie, die er aber nicht auf der Ebene des Verhaltens ausleben will, sondern zurückhält, die Person leidet aber unter dieser Inkongruenz; eine Person hat zeitweise ein bestimmtes sexuelles Verhalten, etwa heterosexuell oder homosexuell, fühlt sich aber erotisch in eine andere Richtung angezogen; eine Person hat für sich eine bestimmte sexuelle Identität entwickelt und sozial verwirklicht, merkt aber dann, dass auf der Ebene der Phantasie und/oder auf der Ebene des Begehrens andere Sehnsüchte gegenüber anderen Partnern auftauchen.
  • Menschen, die sich sexuell ausbeuten lassen oder andere ausbeuten, entdecken manchmal, dass es für sie die einzige Form ist, sich angenommen zu fühlen. Manche von ihnen entdecken dahinter das Lebensmuster, dass sie in Beziehungen nur angenommen wurden, wenn sie sich zum Opfer machten. Andere lassen sich ausbeuten, weil sie sexuellen oder körperlichen Missbrauch erlebt haben.

Damit ist gesagt: Es gibt viele unterschiedliche Gründe, warum in einem Menschen Sexualität zum Konflikt werden kann. Dabei werden Konflikte subjektiv empfunden. Was der eine als Konflikt empfindet, empfindet ein anderer als normal. Was letztlich „mein sexueller Konflikt ist“, muss jeder Mensch selbst herausfinden. Erst auf der Basis des Verstehens der eigenen Sexualität kann in der Sexualberatung dann besprochen werden, welche Wege der Lösung des Konfliktes beschritten werden könnten.

Wie verläuft eine Sexualberatung?

Weil Sexualität in sich komplex ist, folgen wir in der Beratung dem Grundsatz der absoluten Ergebnisoffenheit. So gehen wir weder mit dem Vorverständnis an sexuelle Konflikte, sie seien angeboren oder anlagebedingt, noch sagen wir, sie sind immer mit psychischen Konflikten verbunden. Da aber mit der Sexualität gewichtige Lebens- und Partnerschaftsentscheidungen für jeden Menschen verbunden sind, räumen wir jedem einzelnen Menschen das Recht ein, seine Sexualität verstehen dürfen.

In der ersten Phase der Beratung hilft der Berater dem Ratsuchenden daher, seine Sexualität zu verstehen. Dabei ist der Berater nur Assistent des Verstehens, das im Rasuchenden dann entstehen kann, wenn er die Bereitschaft und die Offenheit mitbringt, seine sexuellen Ängste, Wünsche, Phantasien oder seine speziellen sexuellen Erfahrungen zu beleuchten. Da der Mensch über Sexualität wenig nachdenkt und daher oft wenig Worte für das hat, was er sexuell spürt, hat diese Phase das Ziel, dass jeder Ratsuchende seine eigene Sprache für das entwickelt, was er in seinem sexuellen Sehnen, Wünschen oder Befürchten erstrebt und sucht. Ratsuchende brauchen in dieser Phase Geduld mit sich selbst.

Erst wenn der Ratsuchende Sprache für das gefunden hat, was er seinen „sexuellen Konflikt“ nennt, kann er herausfinden, welche Art des Konfliktes sich mit seiner Sexualität verbunden hat, oder ob Sexualität im Licht eigener Selbsterkenntnis überhaupt konflikthaft ist. In dieser Phase der Beratung trifft der Ratsuchende daher die Entscheidung, wie er mit dem, was er entdeckt hat, umgehen will.

  • Menschen, die entdecken, dass mit ihrer Sexualität ein psychischer Konflikt verstrickt ist, entscheiden sich manchmal, in der Beratung diesen Konflikt zu bearbeiten. Ratsuchende, die feststellen, dass sie an diesem Konflikt leiden, lassen sich oft auf diesen Weg ein, auch wenn ihnen kein Berater versprechen kann, was sich durch die Lösung des psychischen Konfliktes in ihnen lösen wird.
  • Menschen, die entdecken, dass mit ihrer Sexualität vor allem ein Partnerschaftskonflikt oder eine Beziehungsangst verbunden ist, entscheiden sich manchmal für eine Paarberatung.
  • Menschen, die entdecken, dass sie ihr sexuelles Sehnen aufgrund bestimmter moralischer Vorstellungen konflikthaft empfinden, entscheiden sich oft für einen Prozess der moralischen Klärung oder wünschen sich eine seelsorgerliche Begleitung. Dies vor allem dann, wenn sie aufgrund eigener Gewissensentscheidung ihre Glaubensüberzeugung über ihr sexuelles Sehnen stellen wollen.
  • Menschen, die wahrnehmen, dass sie ihre Sexualität gar nicht verstehen können, weil sie sie unkontrolliert und süchtig leben, lassen sich manchmal auf eine Suchtberatung ein, mit dem Ziel, sich wieder mehr spüren und sich so wieder in ihr sexuelles Sehnen einfühlen zu können.
  • etc.

Erst wenn der Ratsuchende eine solche oder ähnliche Entscheidung für sich getroffen hat, kann die Beratung bei uns oder bei einem anderen Berater an einem anderen Ort fortgesetzt werden. Entscheidet sich ein Ratsuchender nach dem Verstehen seiner Sexualität für eine Beratung bei uns, wird zwischen Ratsuchendem und Berater eine klare Beratungsvereinbarung getroffen, in der das Thema der Beratung genau festgelegt und festgehalten wird, dass die Beratung streng ergebnisoffen durchgeführt wird.

So beruht die Beratung im Bereich der Sexualität immer auf einem klar vereinbarten Beratungsvertrag und findet unter Beachtung hoher ethischer Standards, auch und vor allem im Bereich des methodischen Beratungshandelns, statt.

Zwanghafter Wunsch nach Veränderung und Minority Stress

Gerade gläubige Menschen, die entdecken, dass ihr sexuelles Sehnen nicht dem der Mehrheit entspricht, kommen in die Beratung und wünschen sich eine Veränderung ihres sexuellen Strebens. Wir als Berater, die diese Arbeit als Selbsterfahrungsgruppe begonnen haben, kennen diese Sehnsucht sehr gut aus dem eigenen Leben. Tatsache aber ist, dass es unseriös ist und viel psychisches und soziales Leid mit sich bringt, wenn ein Berater oder Seelsorger einem Menschen eine Veränderung im Bereich der Sexualität verspricht. Denn letztlich muss jeder Mensch seine Sexualität in sein Leben integrieren, denn sie ist Teil seines Lebens, seiner Geschichte und seiner Gefühle.

Die Menschen, die uns in den Jahren unserer Arbeit mit einem starken Veränderungswunsch begegnet sind, trugen oft einen starken inneren Selbsthass in sich. Oft lag seine Quelle in der Entdeckung des eigenen sexuellen Sehnens und dem Glauben und der Erfahrung, dass die Umwelt darauf ablehnend und mit Ausgrenzung reagiert. So müssen gerade Christen, die eine nicht-heterosexuelle Orientierung in sich erleben, feststellen, dass sie nur als "geheilte Lesben oder Schwule" in ihrer Gemeinde angenommen werden. Oder sie bringen die Erfahrung entsetzlicher Einsamkeit mit. Denn weder Vater und Mutter, noch Freunden und Freundinnen konnten sie von ihrem Erleben erzählen.

Die Wissenschaft hat dem Druck, den Menschen mit einer nicht-heterosexuellen Empfinden tagtäglich erleben, einen Namen gegeben: Minderheiten-Stress (Minority Stress). Letztlich gründet der Stress, den Menschen mit einer nicht-heterosexuellen Orientierung empfinden, aus der Tatsache, dass man sich einer Umwelt gegenüber sieht, in der man nicht selbstverständlich über das reden kann, was einen ausmacht. Immer muss ein Teil der eigenen Person und des eigenen Empfindens verborgen bleiben. So ist für nicht-heterosexuell empfindende Menschen kaum eine Kommunikation, kaum eine Begegnung nicht von Stress begleitet. Wenn man dann noch in einem christlichen Raum aufwächst, in dem das heterosexuelle Modell als zentrales Lebensglück gehandelt wird, und in dem das Bild von nicht-heterosexuellen Menschen als pervers und abstoßend dargestellt wird, dann wird der Stress vermehrt.

Leider ist Menschen oft wenig bewusst, dass sie an Minderheiten-Stress leiden. Viele nehmen diesen Stress als selbstverständliches Lebensgefühl hin, merken aber nicht, dass dieser Stress auch den Blick auf die eigene Sexualität verstellen kann und auf das, was man in einer Beratung erwartet. Manchmal führt ein solcher Stress auch dazu, dass man sich an irgendwelchen Theorien über nicht-heterosexuelle Beziehungen festgebissen hat, ohne dass man wirklich in sich hineingespürt und etwas von seiner Sexualität erfühlt und verstanden hat.

Weil jeder Mensch aber das Recht auf ein selbstbestimmtes Verstehen seiner Sexualität hat, ist es uns wichtig, gerade Menschen mit nicht-heterosexueller Orientierung zur Reflexion von Minderheiten-Stress einzuladen. Dabei erleben wir immer wieder, dass betroffene Menschen, die sich nach dem Minderheiten-Stressmodell selbst reflektiert haben, feststellen, dass ihr Konflikt nur in dem Druck bestanden hatte, den sie von ihrer Umwelt her empfunden haben.

First things first!

Damit das Erarbeiten des subjektiven Konflikts in der Sexualität nicht durch Minderheiten-Stress verdeckt oder verzerrt wird, arbeiten wir mit Menschen ungefähr in folgenden Schritten:

  • Im ersten Schritt hören wir gemeinsam, welche subjektive Konfliktwahrnehmung einen Menschen in die Beratung geführt hat.
  • Im zweiten Schritt laden wir ein, in Distanz zu allen Annahmen, Interpretationen zu gehen, die man je gelesen oder gehört hat, damit man neu hören kann: Warum erlebe ich etwas als einen Konflikt?
  • Im dritten Schritt laden wir ein, zu überlegen, welchem Stress ich in meiner Umwelt aufgrund des subjektiven Konfliktes ausgesetzt bin.
  • Im vierten Schritt prüfen wir, ob durch die Behebung des Minderheiten-Stresses der Konflikt insgesamt gelöst wäre. Wenn ja, dann endet hier meist die Beratung.
  • Wenn nicht, dann schauen wir im fünften Schritt, auf welcher Ebene der Konflikt liegen kann: Auf der Ebene der Lebenssituation, der Partnerschaft, der Balance zwischen Beziehung und Autonomie etc.
  • oder eben auch auf der Ebene der persönlichen Moral und Glaubensüberzeugungen.

Jeder einzelne Schritt kann für einen Menschen einen Zugewinn an Erkenntnis bedeuten. Denn gerade Menschen, die einem hohen Minderheiten-Stress ausgesetzt sind, haben sich so an das gewöhnt, was andere sagen und denken, oder wie sie Konflikte interpretiert oder gelöst sehen wollen, dass sie den Zugang zur selbstkompetenten Wahrnehmung verloren haben. Wir laden ein, diese Selbstkompetenz wieder zurückzugewinnen. Denn am Ende der Beratung ist es wichtig, dass jeder Mensch seinen Weg selbstverantwortet und selbstbehauptet gehen und sein Leben selbständig, nach seinen Überzeugungen gestalten kann.