Sexualpädagogik ein Auftrag für die Gemeinde: Diakonat Sexualpädagogik swap_horiz

Der Ansatz der entwicklungssensiblen Sexualpädagogik will auch die Aufgabe der christlichen Gemeinde in den Mittelpunkt rücken. Auf diesen Zusammenhang soll hier skizzenartig in drei Thesen eingegangen werden:

1. These: Sexualpädagogik, der schlummernde Riese

Viele übersehen, dass die großen Sozialisationsinstanzen mit der Sexualpädagogik wenig anfangen können. So sind Familie, vor allem Eltern rasch damit beschäftigt, die Aufgabe der Sexualerziehung nach außen zu delegieren. Die Schule, die oft Empfänger elterlicher Delegation ist, will aber auf die Leistungsgesellschaft vorbereiten. Zu emotionale Themen, die zudem eine gewisse Nähe zwischen Lehrern und Schülern schaffen, passen da nicht. Die Peer Group ist zwar oft ein Ort, wo Identität, Beziehungsfähigkeit und auch sexuelle Werte verhandelt werden, aber ihnen misstraut sogar der Jugendliche. Denn den Altersgenossen fehlt der Entwicklungs- und Erfahrungsvorsprung in der Sexualität. Sie wissen nicht mehr als der Jugendliche selbst und werden daher als ein blinder Blindenführer erlebt. Es bleiben die Medien. Sicher, über diese können viele Fragen kompensiert werden. Aber ihre Angebote sind oft fiktional, wirken überzogen und treffen dabei die Realität der Jugendlichen nur wenig.

Hier sehe ich die Chance der gemeindlichen Jugendarbeit. In ihr können die Jugendlichen nicht nur dem Zugriff der üblichen Sozialisationsinstanzen entkommen. Sie finden darin auch den Jugendleiter, der ihnen im Alter etwas voraus ist und gleichzeitig nichts Elterliches hat. Wären diese Jugendleiter sexualpädagogisch ausgebildet, dann hätten sie die Chance, den Jugendlichen zu verstehen und all die sexuellen Entwicklungsaufgaben, vor denen er im Zuge eigener Entwicklung steht. Diese Aufgaben sowie die medial und gesellschaftlich vermittelten Vorstellungen können im Schutzraum der Jugendgruppe bearbeitet werden.

2. These: Die sexuelle Sozialisation driftet auseinander

Sexualpädagogik ist zudem eine gemeindliche Aufgabe, weil die Jugendlichen heute in einer großen sexualethischen Spannung leben: Da gibt es die Sexualethik der Gesellschaft und die Ethik der Gemeinde. Und auch die ist inzwischen nicht mehr homogen. Woran soll sich der Jugendliche orientieren? Dabei können wir zwei Gruppen von Jugendlichen ausmachen: Diejenigen, die innerhalb der Gemeinde groß geworden sind und die, die nach einer Bekehrung zum christlichen Glauben die Sexualethik der Welt mit in die Gemeinde bringen. Dass hier ein konfliktträchtiges Vakuum vorliegt, das sexualpädagogisch aufgebrochen werden muss, liegt auf der Hand.

3. These: Sexualpädagogik muss zur Integration von Sexualität in die Gesamtpersönlichkeit helfen 

Bereits die oben nur angedeuteten Spannungsfelder machen deutlich, dass es in der Sexualität um mehr geht, als nur um den Gebrauch von Genitalien. Sexualität ist sozial von Werten und Anforderungen durchzogen und Sexualität stellt den Jugendlichen selbst vor riesige Entwicklungsaufgaben: So muss er sich ab der Pubertät seinen Körper neu aneignen, er muss mit einem veränderten Rollenbild seiner eigenen Geschlechtlichkeit zurecht kommen, und er muss irgendwie mit der zwischenmenschlich nun möglich gewordenen Erotik umgehen lernen. Gleichzeitig sind mit der Sexualität viele Zukunftsfragen verbunden wie Stand, Familie, Mutterschaft, Vaterschaft etc. Wo kann er aber diese Fragen bewegen? Wie gesagt: die Sozialisationsinstanzen sind in der Frage der Sexualpädagogik irritiert!

Ist es denn daher vermessen, über ein „Diakonat der Sexualpädagogik“ in unseren Gemeinden, an unseren Bibelschulen und Hochschulen nachzudenken? Ich denke nicht: Denn wir dürfen den jungen Menschen nicht allein lassen. Ich bin Markus und seinem Team dankbar, dass wir gemeinsam forschend und gestaltend an einer solchen Möglichkeit der Sexualpädagogik arbeiten.